Die KUNST DES STORYTELLING: Angeberisch, selbstverliebt und eigentlich recht langweilig. So tönt Mike Sowden von Fevered Mutterings (Misadventures in Travel & Storytelling) am zweiten Tag der Internationalen Reiseblogger-Konferenz in Rotterdam zum Thema professionelles Storytelling. Auf jeden Fall ist er heute ein Star darin. Als Reiseautor bzw. Reiseblogger ist man immer auf der Suche nach einer guten Story. Aber woher kommt diese, und wie kann man seine Gedanken folglich so ordnen, dass daraus eine großartige (Reise)Geschichte wird?
Über die Kunst des Storytelling: „Die Welt ist aufregend, aber sie bringt Dich nicht um.“
Anlässlich seines Vortrages erklärt uns Mike, dass einer der spannendsten Aspekte in der Welt des professionellen Geschichten-Erzählens jener ist, „seine Leser an eigene Reise- oder Lebensereignisse denken zu lassen. Man solle sich nicht genieren, auch von weniger guten Ereignissen zu berichten – dabei aber auch nicht übertreiben – sondern einfach bei der Wahrheit bleiben. Wie geht es Dir an einer Destination, auf einer Reise wirklich? Ruhig die Leser ein wenig schockieren und dann auf der Gefühlsnote enden, dass die Welt furchtbar aufregend ist, Dich aber nicht umbringt.“ Ein interessanter Ansatz.
Darüber hinaus sei es wichtig, auf all die feinen Details beim Schreiben einzugehen: Hirnforschungen haben ergeben, dass sich Leser von der Beschreibung des Geruchs einer Rose genauso anziehen lassen, als ob sie an eben dieser Rose selbst riechen würden. Immens wichtig sei es auch, einen guten „Spannungsbogen“ beim Schreiben zu erzeugen, um die Leser mit auf die Reise zu nehmen. Als weitere Technik gilt es, beispielsweise in der Mitte der Geschichte zu beginnen, oder aber auch beim Punkt der größten Spannung in der Erzählung anzufangen und die Geschichte aus einer etwas ungewöhnlicheren Perspektive zu beginnen.
Bloggertalente: Sarah Lee von „Liberating Luxury For The Smart Traveller“ erzählt uns, warum „wir es wert sind“.
Reden wir übers Geschäft. Als Jungunternehmerin stimme ich Sarah voll und ganz zu: „Power to the people“, in unserem Falle Reiseblogger. „Trau Dich, etwas zu verlangen„, mahnt uns Sarah eindringlich und verweist auf die Tatsache, dass im Falle von mehr und mehr gesponserten Gratis-Reisen unter Reisebloggern das Bild entstünde bzw. sich durchsetzen könnte, dass Reiseberichterstattung & (Social-Media)-Content-Produktion im Internet gratis sein müsste, oder eben „eh“ gratis sei. Jeder von uns kann, und sollte jedoch viel mehr dafür erhalten. Denn viele Reiseblogger haben, im Gegensatz zu traditionellen Medien, unglaublich wertvolle und marktfähige Talente:
- Verfassen von professionellen Reiseberichten
- Videoproduktionen
- Web design
- Consulting / Beratung
- PR & Marketing
- Podcasting
- SEO
- Reisefotographie
- Übersetzungen
- Markenbotschafter (Testimonials)
- etc.
(Reise)Blogger haben enorm viel anzubieten.
Aus ihrem Erfahrungsschatz berichtet Sarah, dass mögliche Einnahmequellen für Reiseblogger Kooperationen mit inflight-Magazinen oder lokalen & nationalen Zeitungen, das Verfassen von Büchern oder die Mitarbeit an speziellen Medienprojekten wie TV-Produktionen sein können. Doch wie kommt man an diese Kooperationen heran? Reiseredakteure, erklärt Sarah, suchen „unique stories“, Geschichten aus einer einzigartigen Perspektive und mit einem reichen Erzählungsgehalt. Schließlich muss man sich fragen, was man selbst als einer unter Hunderten bzw. Tausenden Bloggern anzubieten hat: Ist es der persönliche Hintergrund, die Nische, die Erfahrung? Bei der Vorstellung seiner selbst geht es darum, bisherige Kooperationen zu nennen und zu erklären, warum man genau der / die Richtige für den Job ist: „Think Multimedia in your presentation!“
Bücher sind die neue Visitenkarte.
„Mit mehr als 500 Artikel, wie soll sich da ein Neuling auf meiner Website noch auskennen? So habe ich alles in The Solo Traveler’s Handbook zusammengefasst!“ (Janice Waugh von SoloTravelerBlog.com).
Als Autor, so auch Sarah, wird man „zu einer Koryphäe auf seinem Gebiet„: Es bieten sich neue Marketingmöglichkeiten. Bei Kooperationen gilt wie bei jedem Geschäftsmodell: Sich zuerst genauestens informieren. Was hat der potentielle Medienpartner bereits veröffentlicht? Wo liegen die Schwerpunkte? Was sind dessen Bedürfnisse und Erwartungen? Zudem ist es hilfreich, in den Mediendaten der Website / des Blogs auf bisher erfolgte Kooperationen, Feedback und Zitate von zufriedenen Kunden hinzuweisen.
Trau Dich, etwas zu verlangen!
Aber wie viel?! Basierend auf ihren Erfahrungen meint Sarah, dass dies tatsächlich auf den Umfang und die Art der Kooperation ankommt. Printmedien haben üblicherweise nicht-verhandelbare „Sätze“, aber manchmal lohnt es sich bei den Verhandlungen nachzufassen. Ihre Tips lauten dahingehend, den Markt zu recherchieren, sehen was die Konkurrenz verlangt und einen Tagessatz festlegen der den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht. Ein guter Ausgangspunkt seien laut ihrer Meinung € 400 oder mehr pro Tag.
Halten wir fest, woran Reiseblogger bei Kooperationen denken sollten:
- Welche Fähigkeiten bringt man ein?
- An wen richtet sich das Kooperationsangebot?
- Wie lautet die eigene SWOT-Analyse? (Stärken-Schwächen-Analyse: „Strengths, Weaknesses, Opportunities & Threats“.)
- Was macht die Konkurrezn?
- Wie sticht man selbst hervor? Daraus leitet sich dann das eigene Alleinstellungsmerkmal, oder USP ab wie man in Marketingfachkreisen sagen würde.
Vom Blog zum Buch: Terry Lee von LiveShareTravel erklärt den Prozess des Eigenverlages von „The Luxury Traveller’s Handbook“
Das Allererste, was man sich laut Terry bei der Überlegung sein eigenes Buch herauszugeben fragen sollte ist folgendes: „Wofür möchte ich meine Zeit und mein Geld einsetzen“? Geht es darum, Hunderte oder gar Tausende Buch-Exemplare zu verkaufen (also Profil über Einkommen), richtet sich dieses Buch an die Allgemeinheit der reisenden Bevölkerung oder eher an Reiseblogger (was ist mein zukünftiges Leserprofil), möchte ich mehr Newsletter-Anmeldungen generieren, oder alles zusammen … ?
Im Falle des Verlages von „The Luxury Traveller’s Handbook“ lag „der Hauptfokus auf dem Expertenstatus in der Nische von smarten Luxureisen, doch ging es auch darum neue Leser im Internet bzw. für Newsletter-Anmeldungen zu generieren.“ Zusammen haben seine Frau Sarah und er rund zwei Monate an dem Buch geschrieben, wobei der Prozess der tatsächlichen Herausgabe (Korrekturlesen, etc.) wesentlich länger gedauert hat. Zusätzlich betont Terry, dass es in dieser Phase ganz ganz wichtig sei, ausreichend – und gutes, konstruktives – Feedback zu erhalten. „You get so close to your book – it becomes your precious baby! – that this kind of support is needed.“
Sobald das Buch herausgegeben wurde muss an den Verkauf gedacht werden. Im Falle der Reisehandbücher von The Traveller’s Handbooks fiel die Wahl auf ein ebook („Bookbaby“) und eine gedruckte Version („Lightening Source“). „The biggest beast in the jungle is Amazon: You need to be there.“ Print-On-Demand ist weitaus günstiger und um vieles effizienter als traditionelle Verlagswege. Der ebook-Anbieter „Bookbaby“ kann auf nahezu allen Apps bzw. Endgeräten aufgerufen bzw. gelesen werden.
Marketing & Verkauf: „We made our mums very proud.“
Beim Eigenverlag kann man selbstverständlich nicht auf die Marketing-Unterstützung eines großen Verlages zählen: Ergo müssen alle Werbe- und Social-Media-Kanäle ranhalten, die dem jeweiligen Blogger zur Verfügung stehen: Blog, Twitter, Facebook, Social Media, Freunde & Kontakte, Gastbeiträge, Buchtipps bei Amazon, (Video)-Interviews mit Reiseportalen wie Hostelworld, Pressemitteilungen, Radiointerviews, Buchpräsentationen, etc.
„Gemeinsam sind wir stark: Im Falle der Vermarktung des Luxury Traveller’s Handbook konnten wir auf den Support einer ganzen Gemeinschaft von Reisebuchautoren zählen. Wir haben innerhalb des Netzwerkes aufeinander verwiesen und uns so wechselseitig gute Verkaufszahlen beschert. Zu guter Letzt kann man sagen, dass eines der schönsten Dinge beim Herausgeben eines Buches die eigene Zufriedenheit als Autor und die damit verbundene Seriosität ist. Tatsächlich geht es darum, sich einen Namen zu machen, in seiner jeweils eigenen Niche.“
Vielen Dank Terry, Sarah & Mike und allen anderen inspirierenden Vortragenden denen ich im Rahmen der Internationalen Reiseblogger-Konferenz in Rotterdam lauschen durfte. Ihr seid spitze !!
Weitere bildreiche Eindrücke zu den Travel Bloggers Unite aus Rotterdam findet Ihr hier: Viel Vergnügen auf der Reise!