Meeresrauschen. Immer, wenn ich die Augen schließe, höre ich es wieder: Meeresrauschen. „Die berühmten Brecher der Nordsee graben uns im Winter schon mal einen Teil der Dünen ab – vom Zustand des feinen Sandstrandes nachher ganz zu schweigen“, sagt Wattführer & Lokalkoryphäe Heino Behring mit Nachdruck in der Stimme. Nicht der Glaube ist es, der hier auf Juist, der schmalsten aller sieben ostfriesischen Inseln mit nur rund 500 Metern Breite, Berge versetzt. Sondern der Sturmwind sowie die starke Gezeitenströmung des offenen Nordsee-Meeres, die die Insel regelmäßig „aus den Angeln heben“ und Jahr für Jahr um ein Stück weiter nach Osten versetzen. Wer hier wie ich aus dem „gebirgig, fix fixierten Süden Österreichs“ hier strandet – anlandet!, der kommt gar nicht umhin, als fasziniert zurückzubleiben.
Fasziniert ob der gewaltigen Naturlandschaften, die einen hier umgeben: Mit 13.000 Quadratkilometer Ausdehnung ist das UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer das größte der Welt.
Und ergo umso schützenswerter, wie mir auch die Wattenmeerführung mit Heino Behring vermittelt. Das Wattenmeer umspannt damit eine relativ flache Meeresregion entlang der niederländischen, deutschen und dänischen Küstengebiete. Nur wenige Meter bis Zentimeter ist das Meer hier stellenweise tief; Schiffe wie das Fährschiff Frisia, welches uns zur Nordseeinsel Juist bringen, müssen einen gewaltigen Zick-Zack-Kurs durch das flache Wattenmeer zurücklegen, um überhaupt voranzukommen. Denn nur auf ausgewiesenen „Rinnen“, hindurch zwischen „Prielen“ und vorbei an den „Buhnen“, ist die Seenavigation möglich. (Vokabeltest Norddeutsch (Ostfriesisch?!) für Österreicher: Check!)
Vom Unwissen über die richtige Aussprache (Juist wird „Jüst“ gesprochen) bis hin zur tiefen Verbindung mit dem einzigartigen Inselreich sind es bei mir nicht einmal 48 Stunden – den Menschen und dem Naturreich sei Dank.
Auf dem Weg aus der Stadt Bremen und meinem Besuch bei den Bremer Stadtmusikanten (!) reise ich noch gut zwei Stunden mit dem Zug via Emden nach Norden-Norddeich. Bei Norden-Norddeich gilt: Nomen est Omen! Genug Zeit also, sich an die völlig flache Deichlandschaft rund um mich zu gewöhnen, die meinen Orientierungssinn herausfordert. Als Österreicherin bin ich es nun mal gewohnt, mich an Hügelketten und Bergspitzen zu orientieren. Doch als internationale Weltenbummlerin lieb‘ ich mir ja meine Herausforderungen, und so spaziere ich bestens verzaubert an der Nordsee umher: „Wooow … Ist das schön hier!“, entkommt es mir da, und die Menschen rund um mich lächeln. Wo kommt die denn hier, mögen sie sich vielleicht denken. Doch mir ist’s egal. Ich bin einfach nur glücklich, und strahle mit der Sonne um die Wette. Nach meinem Aufenthalt an der Ostsee wird mit der Insel Juist ein weiterer Kindheitstraum Wirklichkeit: Endlich wieder ans Meer, die Weite der Dünen-Landschaften, die kühle Luft, die kilometerlangen Strände ohne Menschenmassen wie am Mittelmeer genießen. Das Meer hier oben im Norden ist nun einmal etwas ganz Besonderes.
Die „Segeln der Langsamkeit“: Was die deutsche ZEIT über das Kärntner Lesachtal zu schreiben wusste, gilt hier auf Juist vielleicht umso mehr.
„Und dann kommt eine Dame zu mir und sagt, sie hielte den Lärm der Autobahn hinter ihrem Ferienhaus nicht aus …“, sagt Anja Pleuger da zu mir, Anja vom Tourismusbüro auf Juist, die mit mir eine gemütliche Fahrradtour unternimmt und mir dabei ihre Lieblingsplätze auf der Insel zeigt. „Unsere Gäste genießen es, hier wirklich anzukommen – fernab von Stress, Lärm und Hektik unserer Zeit. So ruhig, schön und natürlich, das kommt einfach an.“ Was die Dame ursprünglich für eine Autobahn hielt, ist übrigens das immerwährende Rollen der Meereswellen, die sich auf dem 18 Kilometer langen, weißen Sandstrand im Norden der Insel brechen.
Gut 200-300 Meter ist der feine Sandstrand im Norden der Insel breit – die Insel selbst nur 500 Meter, bei knapp 20 Kilometer Länge. (Für mein Wiener Lese-Publikum: Eine Donau-Insel im Wattenmeer, quasi!). Jedes Jahr wandert die gesamte Inselgruppe in der Nordsee Kraft der Gezeiten und Windströmungen um ein ganzes Stück weiter nach Osten. Jedes Mal kehre ich vom Strandspaziergang barfuß zurück: Kein Asphalt hält sich oder ist nötig, um Pferdefuhrwerken oder Radfahrern auf Juist den Weg zu weisen. Auch der öffentliche Bus ist eine Pferdekutsche. Die Luft ist generell vom Geruch der sanften, langhaarigen Riesen geprägt; allgegenwärtig sind die kraftvollen ostfriesischen Pferde auf den umliegenden Salzwiesen der Insel. Hinzu mischt sich jetzt im Frühsommer der Geruch nach frischen Kartoffelrosen und süßen Holunderblüten, im Hotel Achterdiek, meiner traumhaft schönen Unterkunft au der Insel Juist, wird hausgemachte Erdbeermarmelade mit frischer Minze gereicht.
Alles in allem, ein wahrer Traum. Ich rieche, fühle, sehe, schmecke, höre und l(i)ebe Juist: „Ich weiß, dies wird nicht Dein letzter Besuch auf Juist sein“, schmunzelt Anja bereits nach kurzer Zeit und schenkt mir in der kühlen Abendbrise einen wärmenden Blick, während wir gemeinsam unseren Blick über die märchenhaften Dünen sowie den feinen Sandstrand von Juist schweifen lassen.
Und so kommt es, wie es kommen musste. Der Seebär und die Österreicherin. Eine Liebesgeschichte, die bereits geschrieben steht, denn …
… „zwölf Jahre lang war ich mit einer Österreicherin zusammen“, lacht Heino Behring, und ein warmherziges Lächeln umspielt seine Augen, als er mich wenig später „jo, passt schon“ sagen hört. „Ach, ich war immer so gern in Österreich ..“ Nun, meine Lieben. Wenn ich mit vielem gerechnet habe, aber damit nun wirklich nicht. Dass der gute Heino, ein ausgesprochener Verfechter des Weltnaturerbe Wattenmeeres, der als eingefleischter Wattführer nahezu täglich mit seinen Gästen über das gewaltige Wattenmeer vor seiner Haustüre marschiert, eine solch innige Beziehung zu meinem Heimatland pflegt(e), geht mir richtig nahe. Dabei ist der knapp 70jährige „jung und munter“ wie kaum ein zweiter seines Alters. Mit derselben Faszination, die ihm schon seit Vater, der Wattführer Alfred Behring als Kind über das Wattenmeer vermittelte, gelingt es ihm noch heute, Besucher im Nu für das einzigartige Öko-System vor ihrem Feriendomizil zu begeistern.
„Die Gezeiten“, beginnt er sanft und eindringlich zugleich zu sprechen, „sind der Atemzug des Planeten.“
„Im Organismus Wattenmeer ist der Wurm die Lunge, denn er filtert und durchlüftet beständig den Boden. Krebs, Fische, Seehund & Möwen sind die Leber. Die Muscheln hingegen sind wie Nieren, de facto steckt Ihr Euch bei deren Verzehr ein Klärwerk in den Mund“, gibt Heino unseren erstaunten Gesichtern belustigt kund. „Die Tierwelt des Watt filtert das Gezeitenmeer“, führt er weiter an, und: „Transusen werden gefressen, das hat mir schon mein Vater beigebracht: Wer nicht bei drei, zwei, eins, unter’m Schlamm ist, den holen sich die nächsten in der Nahrungskette! Wusstet Ihr, dass 98% der Lebewesen im Watt unterhalb der Wasseroberfläche leben?!“ Heino, das spüren wir alle hier im Rahmen seiner großen, ca. dreistündigen Wattführung, für den ist Wattführer sein kein Job, sondern (s)eine Berufung.
„Die Menschen kommen nicht hierher, um in der Kneipe ein Bier zu trinken“, betont er ein ums andere Mal mit Nachdruck in der Stimme, wohlweislich um den Ernst der Lage und die Gefährdung des fragilen Wattenmeer-Ökosystems durch menschliche Eingriffe hervorzustreichen. „Unsere Gäste kommen, weil sie eine intakte Naturlandschaft vorfinden (möchten). Das muss uns allen klar sein, die wir hier leben, den Tourismus fördern und aufrechterhalten wollen.“
Mein Reisevideo zur Nordsee sowie der Lüneburger Heide nimmt Euch mitten hinein in die „Faszination der Naturlandschaften Deutschlands“:
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Hinweis: Ich wurde von der Deutschen Zentrale für Tourismus sowie der Niedersachsen Tourismus zur Reise #EnjoyGermanNature #MeinNiedersachsen eingeladen. Alle Meinungen sind meine eigenen.
2 Kommentare
Hach tolles Video, tolle Eindrücke – hoffe das ich bald wieder da oben bin. 😀
Vielen Dank, liebe Janett !!
Wer weiß, vielleicht fahren wir ja mal gemeinsam hin, hinauf in den wunderschönen Norden und aufs Watt? 🙂
Liebe Grüße,
Elena