Immer wieder Portugal. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr bin ich eingeladen, anlässlich des jährlich stattfindenden INATEL Forums „Tourism for All“ in der Algarve über den internationalen Trend zu Kreativ Reisen zu berichten. Erst kurz davor hat mich Tourismus Portugal kontaktiert, die Eröffnungsrede der diesjährigen Kulturmesse-Konferenz in Coimbra zu halten. Von dieser Ehre immer noch beglückt, habe ich zudem noch den Genuss des World Food Tourism Summit in Lissabon Anfang des Jahres im Kopf (und im Bauch ..). Portugal, ich sage es Euch: Das Land hat einfach Geschmack.
Jedes Jahr organisiert die Internationale Organisation für Sozialen Tourismus gemeinsam mit der portugiesischen Stiftung INATEL das #ISTOForum2015, heuer unter dem Titel „European Tourism For All“ – Zukunft & Innovation. Dazu gehört selbstverständlich, über Kreativ Reisen zu sprechen …
Gleich zu Beginn lernen wir, dass die Algarve ganz im Süden des Landes rund 40% aller Reisen nach Portugal abdeckt. Dies entspricht in Summe etwa 17 Millionen Nächtigungen pro Jahr. Trotz (oder gerade wegen) dieser starken touristischen Nachfrage konzentriert sich fast alles auf die Monate Mai bis Oktober, was Anlass für Entwicklungen außerhalb der Hauptsaison liefert. Dies konnte ich beispielsweise schon letztes Jahr beobachten, als ich über die Initiative „Loulé Criativo“ berichtet habe, welche es sich zum Ziel gesetzt hat, alte Handwerkstraditionen durch Kreativ-Workshops für Besucher wieder zu beleben.
So denn möchte ich Euch einige der wesentlichen Erkenntnisse des diesjährigen INATEL #ISTOForum2015 mit dem Titel „European Tourism for All“ näher bringen.
Gleich zu Beginn kommen wir in den Genuss, einer Rede von Alain Liberos zu lauschen, welcher die Europäische Kommission in Sachen Tourismus, Innovation & Kreativwirtschaft vertritt: „Tourismus stellt den drittwichtigsten Wirtschaftszweig der Europäischen Union dar. Europa ist nach wie vor das beliebteste Reiseziel weltweit, mit rund 40% des globalen Marktanteils. 2030 wird dieser jedoch auf 30% geschrumpft sein. Unsere Herausforderung lautet demnach, weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und global gesehen starke Strategien zu entwickeln.“
Loic van Cutsem, welcher stellvertretend für das Oksigen Forschungszentrum für sozialverträglichen Tourismus angereist ist, liefert in seiner Rede gleich mehrere solcher Beispiele. Er spricht von den Herausforderungen, die in Form des demografischen Wandels, den weltweiten Umweltveränderungen, dem Wandel in der Gesellschaft, dem Megatrend Gesundheit sowie vielen weiteren Entwicklungen auf uns zukommen. Innovation geschehe demzufolge vor allem dort, wo Risse im bestehenden System solche Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten schaffen: Diese Form von Innovation fände vor allem unter Einbezug der lokalen Bevölkerung statt. Als Beispiel dafür nennt er „ServetTheCity.Brussels“ oder das sogenannte „Repair café“. Hier könnt Ihr noch ein YouTube Video dazu sehen, besser bekannt unter dem Titel „Smart DMO Tourism Knowledge Community Platform“.
Ich muss schon sagen, Xavier Font, welcher das Internationale Forschungszentrum für Verantwortlichen Tourismus vertritt, ist einer der besten Redner unserer gesamten Konferenz. Die Ergebnisse seiner zahlreichen Marktforschungen lauten kurz und knapp zusammengefasst: „Veränderung wird nur dann geschehen, wenn wir unser Verhalten ändern. Und zwar nachhaltig. In England stammt einer von zehn Einheimischen ursprünglich aus dem Ausland, in Zürich sind es gar vier von zehn. Urlaub, Freizeit oder „Heimat“ sind Konzepte, die zunehmend verschwimmen. Zu alledem kommt, dass wir in einer Zeit leben, in der weltweit mehr und mehr Grenzwerte erreicht werden: Die Klimaveränderung wird es beispielsweise zunehmend schwierig machen, unserer Maxime „Tourism for All“ gerecht zu werden. Noch dazu leben wir in einer Zeit der sogenannten „Empathie-Müdigkeit„: Jedes Mal, wenn uns schockierende Weltnachrichten erreichen, werden wir aufgefordert Menschen zu helfen. Das ist natürlich nicht verkehrt. Doch in unseren Augen haben wir bereits so viel gegeben, dass wir nicht mehr wollen, können, oder schlichtweg überfordert sind. Von dieser Ohnmacht betroffen sind fast alle Gesellschaftsschichten. Meiner Meinung nach braucht es einen radikalen Wertewandel, um dieses Denken, diese Art „Müdigkeit“ umzukehren und in frische Tatkraft zu verwandeln …“
„In England ist der beste Nachbar der, den man nie hört, nie sieht und der einem keinerlei Probleme bereitet. Ich bin Spanier. Dies erscheint mir höchst seltsam. Meine Frau, aus England, wiederum findet mich seltsam. Stück für Stück haben wir unsere unterschiedlichen Denkansätze vereint, glaube ich ..“ (Xavier Font, #ISTOForum2015, Algarve, Portugal).
„Corporate Social Responsibility“, so Xavier, sollte uns dazu anhalten, für das tägliche Wohlergehen aller zu handeln und zu denken. Dies sei jedoch kein direkter Weg, um unsere Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Nach wie vor haben Hotelketten und Kreuzfahrtschiffe Probleme mit der Umsetzung einfachster Umwelt- und Sozialbedingungen: Vieles falle einfach unter den Tisch, so Xavier, wo Kunden andererseits nach immer mehr Transparenz und Erklärungen verlangen. Wie also diesen Herausforderungen begegnen?
„So sehr es unsere Aufgabe sein muss, an einer neuen Sozialbewegung zu arbeiten – ein wesentliches Problem ist und wird bestehen bleiben: Viele der besten (Bürger)Initiativen sind für große Firmen einfach nicht oder nur schwer umsetzbar. Der Schlüssel liegt meiner Meinung nach darin, die Ansätze kleiner, nachhaltig formulierter Initiativen in intelligente Netzwerke zu integrieren, um daraus Kapital und Zugkraft für Gesellschaft & Wirtschaft insgesamt zu gewinnen. Nur so kommen wir nach und nach zu einer guten Lösung.“
Was für eine Ehre, Xavier in seiner Aufforderung für nachhaltige, gesellschaftspolitische Veränderungen Kraft meiner eigenen Rede zu folgen. Ein Hoch auf das glückliche Potenzial für Kreativ Reisen!
In meiner Präsentation über den internationalen Trend für Kreativ Reisen & Innovation durch Social Media Marketing habe ich mein Publikum auf- und herausgefordert, traditionelle Denkmuster zu verlassen und sich nicht nur auf die Wege und Vorgaben der eigenen Wirtschaftsmaximen zu verlassen. Wie, so glaubt Ihr, lautet demnach die Botschaft in diesem Video meines talentierten Kollegen Caspar Diederik?
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Ihr werdet mir zustimmen, dass es letztendlich um richtige gute Stories geht. Die menschliche, persönliche, berührende Story nämlich. Sowie darum, wichtige Botschaften an genau die Zielgruppen zu senden, die nach dem suchen, was wir ihnen liefern können. Immer wieder liebe ich es, darüber mit meinen Freunden, Kollegen sowie auf der Bühne zu diskutieren, wobei mir die vielen Beispiele meiner kreativen Reisen rund um den Globus stets dienlich sind – unterstützt von der Veröffentlichung meines ersten Buches, „The Creative Traveler’s Handbook„. Seht Euch das mal an.
Zusammen mit mir hat meine Kollegin Lucía Hernández (@Luciahdez3) aus Barcelona zudem über das Phänomen der sogenannten „Sharing Economy“ berichtet und darüber, wie sich diese in sämtliche Teilbereiche der touristischen Erlebniskette integrieren lässt. Mittels nachfolgender Präsentation könnt Ihr noch mehr über ihre spannende Arbeit sowie die ihrer Firma „OuiShare“ erfahren:
Als nächstes sind meine KollegInnen aus Frankreich, Portugal und Italien dran: Sie präsentieren weitere Beispiele einer erfolgreichen Umsetzung aus sozialverträglichem Tourismus, kulturtouristischer Innovation und globalem Marketing.
Delphine Joannet, Corporate Social Responsibility-Manager von VVF Villages in Frankreich, widmet sich in ihrer Präsentation der Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg mit sozialen Initiativen für die Bevölkerung, insbesondere der lokalen Wirtschaft und Mitarbeiterförderungen. Im letzten Jahr betrug der Umsatz der Firma € 42 Millionen, vier von fünf Beschäftigten gaben an, dass VVF Villages direkt zur Belebung des Soziallebens beiträgt. Delphine gibt uns weiters die Worte von Mahatma Ghandi mit auf den Weg: „Sei selbst die Veränderung, die Du Dir für die Welt wünschst!“
Der Portugiese Rui Calarrão spricht anschließend über den interessanten Vorstoß, 5.000 Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in Portugal nicht nur aufnehmen, sondern auch nachhaltig integrieren zu wollen. In seiner Rede erklärt er die Ansätze eines Trainingsprogrammes mit dem Titel „Solidarity Hotel„.
Zu guter Letzt lauschen wir dem charmanten, italienischen Duo Claudio Nardocci und Valeria Gherardini von der UNPLI Unione Nazionale Pro Loco d’Italia, welche uns mit ihrem nachhaltigen, sozialverträglichen Tourismusprojekt „Aperto per Ferie – Open for Holidays“ in der Toskana bekannt machen. Knapp 3.000 Dörfer sind dort von der Leere der Landflucht betroffen: So soll ein gemeinsam mit den verbleibenden Bürgern entwickelter Regionalplan für erneute Belebung und Wirtschaftskraft in den Dörfern sorgen. In einem ersten Schritt fördert UNPLI besonders jene Regionen, die sich der Pflege regionaler Traditionen widmen & hohes Potenzial für eine nachhaltige Tourismusentwicklung bieten. Stets steht die Einbeziehung der regionalen Bevölkerung unter dem klingenden Namen „Il Turismo di Sogni“ im Vordergrund. Selbige haben dazu übrigens eine digitale Datenbank geschafft, die sich der Erhaltung und Pflege der lokalen Traditionen widmet: „Memoria immateriale„. Das folgende YouTube-Video illustriert dieses Projekt besonders anschaulich:
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Der zweite Tag des INATEL #ISTOForum2015 steht ganz im Zeichen des „New Digital Age“, weiteren innovativen Beispielen für nachhaltige Tourismusentwicklung sowie der Maxime „Listen, learn, locate.“ Darunter verstehen wir …
… eine Reihe schlüssiger Argumente des Redners Francesco Berrettini, von der Firma Inesting.com, welcher über die Möglichkeiten & Herausforderungen des digitalen Marketings für die Generation 50+ spricht. „71% aller Senioren über 65 Jahre sind zumindest einmal pro Tag online. Zwei von drei nutzen dabei das Internet für ihre Reiseplanung und auch Buchungen. Bilder und Videos sind dabei vorrangig, sie emotionalisieren Destinationen und Inhalte. Schafft einen Blog, teilt Eure Reisetips, bindet die Zielgruppen auf Social Media: Gerade die Älteren sind hier sehr aktiv und dynamisch.“
… Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu binden und zu gewinnen. „Wir stehen im Zeichen des Wandels. Mehr denn je geht es in der heutigen Entscheidungsfindung um Stories, um emotionalisierten Content, um greifbare Erlebnismöglichkeiten. Wir reisen stets auf der Suche nach einzigartigen Erfahrungen. Habt Ihr darüber schon mal nachgedacht?“
Heutzutage haben digitale Meinungsbildner die Macht, ganze Regierungen herauszufordern oder zu beeinflussen. Für Firmen sei es ein Muss, so Elina, den Dialogen und dem Meinungsaustausch der Konsumenten zu „lauschen“, um deren Erwartungshaltungen kennen zu lernen sowie übertreffen zu können. „Wenn ich mein Handy nicht bei mir habe, fühle ich mich unsicher“, wirft sie beinah ironisch ein, und behält doch recht: Der Generation der sogenannten „Millenials“, also derer die in oder nach dem Jahr 2000 geboren sind, geht es rein um Liken, Sharen & Netzwerken … Sie sehen nicht mehr klassisch fern. Sie sehen was, wann, wo und wie sie es sehen wollen. „Die Zukunft“, sagt Elina und lächelt, „lautet meines Erachtens auf augemented reality & gamified apps. Und eigentlich“, fügt sie hinzu“, ist die Zukunft doch längst schon da.“
„Wir stehen einer digitalen Revolution gegenüber, die radikal mit unserem bisherigen ‚Way of doing things‘ aufräumt. Mobiles ist Zukunft. Kunden teilen alles, überall. Auch und gerade über Unternehmen. Als solche können wir nicht länger zusehen, sondern sind aufgefordert, aktiv an der Gestaltung der öffentlichen Meinung teilzunehmen. Denn sonst übernehmen dies andere für uns. Markengestaltung liegt meines Erachtens längst nicht mehr nur in den Händen der Reiseveranstalter. Selbige wird mindestens ebenso von den Kunden beeinflusst wie das Marketing und der Vertrieb selbst.“ (Elina Michopoulou, #ISTOForum2015, Algarve, Portugal).
Vielen Dank auch Dir, liebe Elina, für all Deine interessanten Ideen und Gedankenansätze!
Noch mehr bildreiche Eindrücke aus der Algarve findet Ihr hier:
2 Kommentare
Toller Bericht, danke. So komme ich auch immer in den Genuss der internationalen Conferences und deren Content! Gratuliere Dir zu Deinem Vortrag, sicher super profimäßig – wie immer!
Bussi
aus dem Weinviertel
Angelika
Liebe Angelika,
Vielen lieben Dank für Deine Worte! Mein Vortrag hat Spaß gemacht und war „refreshing“ für alle zu hören- so die Worte des Feedback. 😉
Ich freue mich auf ein Wiedersehen!
Schöne Grüße ins Weinviertel,
Elena!