Bekannt als das „Mittelmeer der Anden“ ist der höchste schiffbare See der Welt schon etwas Besonderes. Auf fast 4.000 Meter Seehöhe kann man diesen See sogar vom Weltall aus sehen – oder ihn aus dem Flugzeug bestaunen, inmitten der Hochebene der Anden.
Hier leben die Uros, ein Volksstamm der sich durch ein Leben direkt auf dem See erfolgreich gegen Invasionen der Inka und später der Spanier zur Wehr gesetzt hat.
Die Uros und der moderne Tourismus
Heutzutage jedoch laufen die Uros selbst Gefahr, vom Tourismus überrannt zu werden. Im Rahmen meiner Weltreise im Jahr 2011 habe ich mir das näher angesehen und die „Schwimmenden Inseln“ des Titikaka-See besucht.
Internationaler Tourismus ist ein oft-zitiertes zweischneidiges Schwert.
Einerseits finden wir hier eine Gemeinschaft vor, die Besucher willkommen heißt und dafür auch Einrichtungen wie kleine Läden, Restaurants (ja, wir sind immer noch auf einem See mit Inseln die zu 100% aus Schilf bestehen!) oder sogar Übernachtungsmöglichkeiten anbietet.
So manch einer hat gar schon Solarzellen am Schilfdach angebracht und nutzt die Kraft der intensiven Andensonne für fortschrittliche Zwecke – undenkbar noch für die Großelterngeneration, die als Selbstversorger vom Fisch- und Vogelfang lebten.
Andererseits hat der Tourismus natürlich auch seine Spuren hinterlassen. Traditionelle Werte, die von den Stammesältesten weitergegeben werden, laufen angesichts der Fülle an neuen Möglichkeiten Gefahr, vernachlässigt zu werden. Geld regiert seit kurzem auch den Alltag der Uros, die damit Waren, Boote, Schulbildung für ihre Kinder und alle möglichen Gebrauchsgegenstände in der nahe gelegenen Hafenstadt Puno kaufen.
Schließlich ist der Tourismus praktisch ihre einzige Einnahmequelle, sie „müssen“ ihre Erzeugnisse wie gewebte Teppiche oder Schilfpuppen verkaufen. Dies kann dann schnell mal in ein richtiges Bedrängen der Besucher ausarten, die je nach Saison und Fahrzeiten zwischen ein- bis dreimal am Tag eintreffen.
2010 haben knapp 90.000 Menschen die rund 200 Familien, die auf den Inseln leben, besucht. Darunter befanden sich hauptsächlich deutsche und französische Touristen, welche sich dadurch einen „Austausch mit der Kultur und den Traditionen vor Ort“ erhofft hatten.
„Best Practices“: Die Gemeinschaft der Uros am Titikaka-See in Peru
Als ich von meiner Weltreise Juni 2011 zurückkehrte, lud mich die United Nations World Tourism Organization ein, im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Studie zum Thema „Intangible Cultural Heritage“ von meinen Erfahrungen zu berichten:
„Einheimische öffnen Besuchern Haus & Hof, um sie an ihrem Leben, ihrer Kultur und ihren typischen Ritualen teilhaben zu lassen. (…) Besucher haben hier viele Möglichkeiten: Sie können den Schilfturm der Uros erklimmen, ein traditionelles ‚totora‘-Schilfboot rudern oder typische Fischgerichte verkosten und zubereiten lernen. (…) Mit den Einnahmen aus dem Tourismus werden die verschiedensten Gebrauchsgegenstände, Sprachkurse (Kinder lernen heute bereits Englisch, Französisch und Deutsch) und Infrastrukturmaßnahmen finanziert, wie zum Beispiel bessere Boote zum Transport der Besucher.“
Hier könnt Ihr die Zusammenfassung der UNWTO Study on Intangible Cultural Heritage (in englischer Sprache) als PDF herunterladen: Sie umfasst diese und viele weitere individuelle case studies aus der ganzen Welt.
Was meint Ihr? Ist der Besuch einer derartigen Gemeinschaft, wie sie die Uros am Titikaka-See bilden, eine Bereicherung oder eine Gefahr für die Kultur vor Ort?
4 Kommentare
Es ist in der Tat ein zweischneidiges Schwert. Es sollte nicht zum Massentourismus ausarten, bei dem die Touristen in Bussen für eine kurze Zeit hingefahren werden, um die Menschen „wie im Zoo“ zu bestaunen und die Natur zerstören.
Die Besuche sollten begrenzt und nur in kleinen Gruppen mit wirklich kundigen Führern, denen das Wohl der Menschen am Herzen liegt, durchgeführt werden. Außerdem sollten die Teilnehmer sehr gut über die Sitten und Gebräuche informiert sein, denn man kann schnell ins Fettnäpfchen treten.
Ein Besuch alter Kulturen und unbelasteter Natur ist sicherlich immer eine Bereicherung. Was jedoch einmal zerstört ist kann nicht mehr wiederhergestellt werden.
Danke für Deinen Kommentar! Was wir (leider) nicht herausfinden konnten war, wie sehr unsere, wenngleich kundigen Führer, von unserem für die Tour bezahlten Geld profitierten und wie viel davon wirklich in den communities verblieb. Wir wurden zwar alle sehr gut informiert, jedoch erst am Tag bzw. auf den Inseln selbst. … Beim nächsten Mal möchte ich gerne ein zwei Tage auf den Inseln verbringen, um wirklich ins Gespräch zu kommen und nicht an der Oberfläche eines Touristen-Ausfluges zu verbleiben und meine zig Fragen zum besseren Kulturverständnis stellen zu können. Es ist, wie es immer ist mit der Erfahrungstiefe, eine Frage der Zeit bzw. des Sich-Zeit-Nehmens …
Ich denke wir sollten uns immer vor Augen halten, dass wir Touristen sind und bleiben. Egal ob als Individualreisender oder Massentourist man bekommt einmal mehr, einmal weniger von der Kultur eines Landes oder Volkes mit. Ich bin der Meinung wenn man die Kultur verstehen will, dann muss man Monate, wenn nicht Jahre mit den Einheimischen verbringen um deren Kultur zu verstehen. Und wir dürfen uns nicht anmaßen zu glauben, weil wir etwas Zeit mit Einheimischen verbringen gleich über die Kultur bescheid zu wissen. Es sind nur Einblicke die uns gewährt werden.
Ich selbst nahm auch an einer Tour auf den Uros-Inseln teil. Es war eine typische Touristentour mit Einleitung, ein paar geschichtliche Fakten, ein paar Witze dazwischen, das Leben heute und der abschließenden Kauf von einem Souvenir. Wobei die VerkäuferInnen mit sämtlichen Tricks arbeiten. Und schlussendlich ließ ich mich durch ein mitleidig blickendes Mädchen erweichen und kaufte ihr einen kleinen Wandteppich ab. Aber soll so Tourismus und das Kennenlernen anderer Kulturen funktionieren?
Kann dem Post von U_Streit nur beipflichten, dass es gut ist andere Kulturen nicht nur alte zu besuchen, zu verstehen und zu lernen. Speziell das Verstehen möchte ich hier hervorstreichen! Wie man „alte“ Kulturen schützen kann, aber sie trotzdem der Welt zugänglich macht, das ist die Gretchenfrage die beantwortet werden muss. Der Trend im Tourismus geht aus meiner subjektiven Sicht immer mehr weg vom Massentourismus hin zum Tourismus der hinter die Fassade auch sieht. Ich denke speziell junge Menschen sind immer mehr an der Kultur und den Menschen eines Landes interessiert, das beweist auch die immer populärer werdenden Touren mit Obdachlosen in diversen Städten wie London und Prag.
Danke, lieber Max, für Deinen Kommentar! Ich kann Dir nur beipflichten: Vielen Dank, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast, Deine Gedanken hier mit uns zu teilen.