Wien einmal wirklich ganz anders. Zwei Tage lang tauchen wir tief ein in die Geschichte der vormaligen k.u.k Monarchiehauptstadt und begeben uns auf die Spuren der Menschen, deren Familien schon seit Ururgroßvaters Zeiten hier leben, arbeiten und den Weltruhm Wiens ein bisschen mit gestaltet haben. Gleich vorweg sei gesagt, dass Ihr die meisten der hier vorgestellten Adressen und Menschen ebenfalls ohne weiteres besuchen könnt; als kleine Gruppe oder bei verstärktem Interesse ist es jedoch ratsam, im Vorhinein einen Termin auszumachen. Gestartet haben wir unsere Entdeckungsreise im Hotel Das Tigra. Dort lässt es sich gemütlich inmitten des 1. Wiener Gemeindebezirks nächtigen und frühstücken; geworben wird mit der Tatsache, dass schon Wolfgang Amadeus dereinst berühmter Gast war.
Manufaktur # 1: Familie Perzy und die berühmte, Original Wiener Schneekugelmanufaktur.
Als wir fast vor Hitze zerfließen, schneit es. Gleich neben uns in der Werkstatt. Mitten in einem höchst unscheinbaren Innenhof inmitten des 17. Wiener Gemeindebezirkes steht Erwin Perzy, der sich selbst @SnowManTheThird auf Instagram nennt. Er lässt es schneien, und das schon in vierter Generation: Vor kurzem hat er den Familienbetrieb an seine Tochter übergeben und arbeitet praktischerweise mit dem Schwiegersohn in der Werkstatt weiter. Allein seine charismatische Art, gepaart mit der absolut spannenden Erzählweise über seine Familiengeschichte (der erste „Schnee“ in einer Original Wiener Schneekugel war Griess, sein Großvater, der zufällige Erfinder, eigentlich Chirurgeninstrumentemechaniker ..!) lassen uns buchstäblich an seinen Lippen hängen. Wie bei der Original Wiener Sacher Torte kennt die geheime Rezeptur für die Zusammensetzung der Schneekugel-Flocken nur er, Erwin Perzy. „In Kürze aber, da habt Ihr recht, sollte ich es doch meiner Tochter als offizieller Geschäftsführerin sagen ..!“, erklärt er lachend und führt uns hinter die Kulissen seiner Schneekugel-Manufaktur. Spannend!
Manufaktur # 2: Jarosinski & Vaugoin DIE Silberschmiede.
Im edlen Verkaufsladen empfängt uns der Chef höchstpersönlich: Seine Familie kam zur Zeit Napoleons nach Wien, noch heute deutet der Name des aktuellen Geschäftsführers, Jean-Paul Vaugoin, auf diese Verbindung hin. Auch hier blicken wir nach eingehenden und sehr interessanten Gesprächen über Verkaufspsychologie, Trendwenden und kuriose Erfahrungen mit langjährigen Kunden hinter die Kulissen des edlen Biedermeier-Hauses im 7. Wiener Gemeindebezirk, unweit der allseits bekannten Mariahilferstraße. Begeistert hat mich hier vor allem Jean-Paul Vaugoin’s Offenheit, der uns viel über seine Familie, seine Werte und seine ganz persönlichen Erlebnisse erzählt, so als wären wir Teil seines langjährigen, im Handwerk des edlen Silbers versierten Kundenstockes. Eine ganz neue Welt, die mich fast schon beschämend an mein gegenwärtiges, einfaches Essbesteck von IKEA denken lässt ..!
Manufaktur # 3: Rudolf Scheer & Söhne k.u.k. Hof-Schuhmacher.
Begeistert, bestätigt und zutiefst berührt klappe ich wenige Tage nach unserem Besuch beim k.u.k. Hof-Schuhmacher Scheer den Buchdeckel zu: „Der Fuß weiß alles„, ist ein vor vier Jahren von Markus Scheer verfasstes Plädoyer für den richtigen Umgang mit unseren Füßen, für gesunde Schuhe und ganz allgemein für die „richtige Haltung“ im Leben. Noch während der Schuhmacher, dessen Familie schon Schuhe für Kaiser Franz Joseph höchstpersönlich hergestellt hat, mit Leidenschaft über sein Handwerk und seine Liebe zum Detail, eben seine Berufung spricht, vertiefe ich mich in ein Kapitel seines Buches: Warum sind Babyfüße so unwiderstehlich?, schreibt er in einem Kapitel etwa über den gesunden Umgang mit Füßen von Kindesbeinen an. Da wir schon beim Thema sind: Fünf Kinder zieht der Mann aktuell groß, und schafft es dennoch, so ruhig, ausgeglichen und voller Energie vor uns zu stehen. Das beeindruckt mich. Sobald mir im Leben einmal ein paar Tausend Euro überbleiben, leiste ich mir sofort einen Scheer-Schuh. Denn für ein Paar handgemachter Maßschuhe sind im Hause Scheer viele Dutzend Arbeitsstunden notwendig, die das Wissen unzähliger Generationen von Schuhmachern, Gesellen und Lehrlingen gespeichert haben. Der Blick in das traditionsreiche Geschäft nahe des Graben mitten in Wien lohnt sich allemal. Seht Euch das mal an.
Manufaktur # 4: Glashütte Comploj.
Von der Begeisterung für Tradition geht es weiter zu einer Art neuzeitlichen Erfrischung. Natürlich ist auch das Glashandwerk ein uraltes, die in der Glashütte Comploj vorgestellten Exponate jedoch allesamt sehr modern gehalten. Farben- und Formenvielfalt des Verkaufsraumes faszinieren mich, auch hier dürfen wir wieder einen kurzen Blick hinter die Kulissen der Produktion werfen. Kreative Kurse werden hier ebenfalls angeboten, um beispielsweise eine Vase oder ein anderes Zierobjekt aus Glas selbst herzustellen.
Manufaktur # 5: Altmann & Kühne.
Leider blieb uns nicht mehr viel Zeit für die süßen Köstlichkeiten dieser schmackhaften Manufaktur, in der jedes einzelne Konfekt von Hand gerührt, gerollt und mit den unterschiedlichsten Mustern verziert gefüllt wird. Alleine die Auslage mitten am Graben in der Wiener Innenstadt, unweit des berühmten Stephansdomes, lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Vorsicht: Die Schlange wartender Kunden kann manchmal bis vor die Tür der edlen Konditorei reichen.
Weitere Tipps & Ausflugsziele für Euren nächsten Wien-Besuch.
Über den Besuch kreativer Manufakturen hinaus kann ich Euch noch ein paar kulinarische wie zeitgenössische Reisetipps für Euren nächsten Besuch in Wien geben. Zu Mittag beispielsweise genießt Ihr von Montag bis Freitag in der Gastwirtschaft Stopfer am Rudolfsplatz ausgezeichnete Wiener Küche (hier hat unser kleiner Sohn Liam, der mit der Oma zu unserer Gruppe gestoßen ist, mit 14 Monaten sein allererstes Wiener Schnitzel verdrückt!). Am Abend dinierten wir im Restaurant Ellas am Wiener Judenplatz, welches uns in Einrichtung und Speisen dezent ans Mittelmeer entführte. Herrlich. Ebenfalls am frühen Abend genossen wir eine Führung durch die österreichische Sammlung des Belvedere-Museums: „Nachts im Museum“, so ganz ohne andere Besucher, ist zudem immer etwas Besonderes.
Tagsüber kann ich Euch einen Ausflug in den Böhmischen Prater (Laaer Wald, 10. Wiener Gemeindebezirk) sowie eine Stadtführung mit dem Titel „Wiens versteckte Innenhöfe & Pawlatschen“ sehr ans Herz legen. Gerade letztere hat mich mit ihrem Thema „Wien auf den zweiten Blick erleben“ begeistert: Es waren tatsächlich Passagen oder Innenhöfe dabei, an denen ich wohl schon zig Male vorbei gelaufen bin, die ich aber so noch nie gesehen habe.
Mehr Bilder unserer Reise durch Wien findet Ihr hier:
Hinweis: Wir wurden vom Hotel Das Tigra zu dieser Reise durch das kreative Wien eingeladen. Alle Meinungen sind meine eigenen.